Die folgenden Fallbeispiele stammen aus langjähriger Beratungspraxis und wurden für diese Zwecke anonymisiert und teilweise fiktionalisiert. Sie dienen der Veranschaulichung typischer Situationen und möglicher Handlungsoptionen.
Bei realen rechtsextremen Vorfällen ist jedoch stets eine fallspezifische, bedarfsgerechte Analyse erforderlich, da sich Zusammenhänge je nach Kontext unterschiedlich darstellen und bewerten lassen.
In einer Kita beschweren sich mehrere Eltern bei der Kita-Leitung über eine Erzieherin. Diese würde regelmäßig an rechtsextremen Demonstrationen teilnehmen und auf ihrem Social-Media-Kanal Hassnachrichten gegen politische Gegner:innen verbreiten. Die Erzieherin ist in der Kita bisher nicht besonders aufgefallen und wird von Kolleg:innen im Umgang mit den Kindern als „liebevoll“ beschrieben.
Die Eltern sind insbesondere um das Wohl ihrer Kinder und darüber besorgt, dass die Erzieherin Zugriff auf ihre persönlichen Daten habe. Die angesprochenen Kita-Leitung nimmt die Erzieherin mit der Begründung in Schutz, dass diese in ihrer Freizeit tun und lassen könne, was sie wolle, solange sich dies nicht negativ auf ihre Arbeit auswirke.
Was ist das Problem?
Wenn sich die Vorwürfe der Eltern bewahrheiten: bei einer wiederholten Teilnahme an rechtsextremen Demonstrationen und dem bedrohlichen Verhalten auf Social Media muss davon ausgegangen werden, dass die Erzieherin in die rechtsextreme Szene eingebunden ist.
Ein rechtsextremes Weltbild kann während der Arbeitszeit nicht einfach abgelegt werden, sondern wirkt in die pädagogischen Tätigkeiten hinein.
Dies widerspricht den unter anderem im Kitafördergesetz des Landes Sachsen-Anhalt gesetzlich festgelegten Aufgaben einer Tageseinrichtung: „Sie sollen insbesondere den Erwerb sozialer Kompetenzen, wie Selbständigkeit, Verantwortungsbereitschaft und Gemeinschaftsfähigkeit, Toleranz und Akzeptanz gegenüber anderen Menschen, Kulturen und Lebensweisen, interkulturelle Kompetenz und Sensibilität […] fördern.“[1]
Insbesondere der Schutz der Kinder, die von Diskriminierung betroffen sein können, wäre hier nicht mehr gewährleistet.
Was kann getan werden?
Clearing und Überprüfung der Vorwürfe der Eltern gegenüber betreffender Erzieherin, ggf. über Einbeziehung von Fachberatungsstellen zu Rechtsextremismus:
Hat die Erzieherin tatsächlich an den Demonstrationen teilgenommen? Wie regelmäßig? Welche Rolle nimmt sie dort ein?
Die Sorgen der Eltern ernst nehmen und klar kommunizieren, wie diesen begegnet wird und wie genau der weitere Klärungsprozess aussehen soll. Mögliche Schritte wären die Einbeziehung des Elternrats, ein Elternabend und das Verfassen einer Elterninformation.
Priorität haben das Wohl der Kinder und die Sorge der Eltern. Bis zur weiteren Klärung sollte die Erzieherin aus der Gruppe genommen werden.
Die Kinder in dem Prozess kindgerecht begleiten.
Transparente Kommunikation zum weiteren Umgang braucht es auch für die weiteren Mitarbeiter:innen: Möglichkeit einer Supervision anbieten
In einem Personalgespräch mit der betreffenden Erzieherin klar die Unvereinbarkeit von rechtsextremer Gesinnung und der erzieherischen Tätigkeit herausstellen:
Zeigt die Erzieherin keine Einsicht, können eine Abmahnung und ggf. weitere arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet werden. Dazu ist es unbedingt notwendig, sich im Vorfeld juristischen Beistand einzuholen.
Die Kita sollte sich Unterstützung sowohl beim Träger als auch bei Beratungsstellen holen, die zum Thema Diskriminierung und Rechtsextremismus im Kontext Kita (Link KER) arbeiten.
Im Nachgang des Falls können weitere präventive Maßnahmen angeschlossen werden:
Fortbildung zum Umgang mit Diskriminierung und Rechtsextremismus im Kontext Kita für Leitung und Mitarbeiter:innen
Gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen ein Leitbild und eine Kitakonzeption entwickeln, in denen die Themen Vielfalt und Diskriminierungssensibilität explizit verankert werden
Kindgerechte Besprechung der Themen Vielfalt und Diversität in den Kitagruppen
Überarbeitung der Hausordnung zum Ausschluss diskriminierender Verhaltensverweisen und rechter Symbolik