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Radikalisierung eines Jugendlichen

Die folgenden Fallbeispiele stammen aus langjähriger Beratungspraxis und wurden für diese Zwecke anonymisiert und teilweise fiktionalisiert. Sie dienen der Veranschaulichung typischer Situationen und möglicher Handlungsoptionen.

Bei realen rechtsextremen Vorfällen ist jedoch stets eine fallspezifische, bedarfsgerechte Analyse erforderlich, da sich Zusammenhänge je nach Kontext unterschiedlich darstellen und bewerten lassen.

Eine alleinerziehende Mutter fühlt sich mit ihrem 14-jährigen Sohn zunehmend überfordert. Sie wurde bereits mehrfach von seiner Klassenlehrerin kontaktiert, nachdem er Schüler:innen mit Migrationserfahrung beleidigt hatte. Außerdem sei er neulich mit einem Hitler-Gruß in den Klassenraum gekommen.

Nach einem Schulwechsel hatte sich der Jugendliche mit jemandem angefreundet, dem nachgesagt wird, aus einer „Nazi-Familie“ zu kommen. Bald veränderte sich das Erscheinungsbild des Jugendlichen, er trägt jetzt einen strengen Scheitel und betont sportliche Kleidung. Außerdem verbringt er viel Zeit bei TikTok, wo er prominenten AfD-Politiker:innen folgt.

Der Jugendliche geht weiterhin in seinen örtlichen Jugendtreff und hält Kontakt zu den Sozialarbeiter:innen dort. Im Gespräch mit einem Sozialarbeiter betont er, dass er sich eben gegen Pädophile engagieren und deshalb an der rechtsextremen Demonstration gegen den lokalen CSD teilnehmen wolle.

Was ist das Problem?

  • Der Jugendliche befindet sich möglicherweise am Beginn einer extrem rechten Radikalisierung.

  • Die Radikalisierung erfolgt sowohl durch den Freund im sozialen Umfeld als auch im digitalen Raum.

  • In der Zuwendung zur extrem rechten Ideologie spiegelt sich zum einen das Bedürfnis des Jugendlichen nach Selbstwirksamkeit, aber auch das nach emotionaler Nähe und Fürsorge.

  • Die Mutter fühlt sich in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt.

  • Ein möglicher Distanzierungsprozess benötigt von Sozialarbeitenden Ressourcen, die im Regelfall nicht vorhanden sind.

Was kann getan werden?

  • Für die Mutter ist das Wichtigste, das Vertrauensverhältnis zum Sohn aufrechtzuerhalten, gleichzeitig aber auch Grenzen zu setzen und sich klar gegen menschenverachtende Aussagen zu positionieren.

  • Die Mutter kann beispielsweise mit Ausflügen und Unternehmungen versuchen, für den Jugendlichen positive Erfahrungsräume zu schaffen, in denen er sich in seinen Bedürfnissen wahrgenommen fühlt.

  • Die Mutter kann gemeinsam mit den Sozialarbeitenden des Jugendtreffs nach Sport- und Freizeitangeboten, Jugendfreizeiten und anderen Möglichkeiten für ihn suchen, im Sozialraum Selbstwirksamkeitserfahrungen zu machen.

  • Die Mutter kann proaktiv auf die Sozialarbeitenden und die Lehrkräfte der Schule zugehen, um ihre Sicht auf das Problem zu teilen und gemeinsame Schritte zu verabreden.

  • Die Mutter kann externe Beratung zum Umgang mit rechtsextremer Radikalisierung in Anspruch nehmen.

  • Um längerfristige Unterstützung zu erhalten, hätte die Mutter die Möglichkeit, beim Jugendamt eine ambulante Erziehungshilfe und/oder einenErziehungsbeistand zu beantragen.

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